Kreativität beginnt mit Chaos: Warum du loslegen solltest, bevor du bereit bist

Bunte kreative Collage mit einem Kind, das Ukulele spielt und auf riesigen Story Cubes sitzt. Ein gezeichnetes Monster läuft ins Bild, während das Wort ‚CREATE‘ gross darüber steht. Symbolisiert spielerische Kreativität und Inspiration.

„Bevor ein Kind spricht, singt es. Bevor es schreibt, malt es. Sobald es steht, tanzt es. Kunst ist die Grundlage des menschlichen Ausdrucks.“

Phylicia Rashad

Es war etwa die dritte Woche letzten Dezember, ich sass am Bürotisch und erlebte gerade einen ernsten Aufschieberitis-Anfall. In diesem Zustand beschloss ich, endlich mal die Foto-Ordner auf meinem Handy in eine sinnvolle Reihenfolge zu bringen (#Prioritäten). Dabei stiess ich auf einen Ordner, den ich geschätzte 11 Monate und 17 Tage lang nicht mehr angeschaut hatte. Mir lief es kalt den Rücken runter. Der Name des Ordners? VISION BOARD. Yikes.
Gegen Ende des Vorjahres hatte ich beschlossen, es mit Visualisierung zu probieren, in der Hoffnung, dass die Fülle an Gewohnheiten, die ich seit Jahren erfolglos versuchte, langfristig zu implementieren, endlich bleiben würde, statt sich nach spätestens ein paar Monaten wieder still zu verabschieden. Und zwar, indem ich sie mir einfach regelmässig vor Augen hielt. Easy peasy. Bloss hatte ich den Plan nicht ganz zu Ende gedacht, denn es stellte sich heraus, dass das regelmässige Checken des Vision Boards auf dem Handy selbst eine Gewohnheit ist, die man zuerst zementieren muss. Und so kam es, wie es kommen musste: Es war ein Jahr vergangen, und das alte Vision Board hätte genauso gut das neue werden können.

Etwa zeitgleich (vielleicht sogar während desselben Aufschieberitis-Anfalls) stiess ich auf ein Zitat von Albert Einstein: «Creativity is contagious. Pass it on.» (Kreativität ist ansteckend. Gib sie weiter.)

Collage mit Albert Einstein Zitat ‚Creativity is contagious. Pass it on.‘. Domino-Steine symbolisieren den ansteckenden Effekt von Kreativität.

Ich fing an, mir Gedanken darüber zu machen, wie sehr ich Kreativität in anderen Leuten bewundere, und fragte mich gleichzeitig, wieso ich mir selbst kaum jemals Zeit dafür nahm. «Es gibt so viel Dringenderes zu tun.», hallte es in meinen Ohren. Naja, war das wirklich die ganze Wahrheit? Waren da vielleicht nicht ganz andere Annahmen im Hinterkopf, die mich davon abhielten? Zum Beispiel: «Was, wenn ich anfange, und es kacke wird?» Die Angst, mich auszuprobieren und am Ende enttäuscht zu sein… Die Annahme, dass Kreativität etwas «Grosses» sein muss, ein fertiges Kunstwerk, anstatt einfach mal draufloszuprobieren… Dabei sind Menschen doch dazu prädestiniert, Dinge zu erschaffen?

Die Gedanken kreisten zurück zum Vision Board. Wie wär’s, wenn du dieses Jahr einfach mal den ganzen Druck fallen lässt? Den Optimierungsdruck, den Drang alles zu reparieren, was sich irgendwie kaputt anfühlt? Und stattdessen lädst du einfach nur etwas Kreativität in deinen Alltag ein, in seiner ganzen, verspielten Leichtigkeit. Gut, fangen wir an.

Was ist eigentlich Kreativität?

Es gibt mehrere Definitionen von Kreativität, und je nachdem, ob man einen Koch, eine Mathematikerin oder eine Spielwarendesignerin befragt, liegt der Fokus wahrscheinlich woanders.
Oftmals wird erwähnt, dass etwas originell, neuartig, sowie nützlich sein muss, um kreativ zu sein. Aber ich finde, das setzt die Messlatte unnötig hoch. Man muss nicht immer wieder das Rad neu erfinden (das machen auch die «kreativsten» Leute nicht), und was «nützlich» ist, darüber lässt sich streiten. Ist ein Gedicht, das nie jemandem gezeigt wird, nützlich? Für den, der es geschrieben hat, vielleicht schon.
Mir entspricht eher die Definition von Kreativität, bei der Bekanntes neu kombiniert, existierende Ideen neu verknüpft oder neu betrachtet werden.

Kreativität hat viel mit Neugier und Offenheit zu tun: mit der Bereitschaft, Unbekanntes zu erkunden (statt als Bedrohung wahrzunehmen), neue Erfahrungen zu sammeln, etablierte Denkmuster und Normen zu hinterfragen.
Je mehr frische Impulse wir erhalten, unseren Horizont erweitern, desto mehr Verbindungen können wir in unserem Denken herstellen.

Nagel-Stiefel als Inspiration für das Design der Hobnail Karaffe – Kreativer Gestaltungsprozess
Und irgendwann wurde aus Nagelstiefeln eine Hobnail Karaffe.

Kreativität ist keine Fähigkeit, sondern eine Lebensweise.

Kreativität kann man zwar üben, aber sie ist nicht eine Fähigkeit wie Schwimmen, die man einmal erlernt und dann nur im Wasser anwendet. Kreativität kann uns immer und überall begleiten und ich finde, das macht sie so unglaublich wertvoll. Sie ist wie ein Filter, der uns die Welt anders erleben lässt. Und ganz ehrlich, in besonders freudlosen Momenten hätte ich für so einen Filter sogar teures Geld bezahlt.

Ein solcher Filter kann beispielsweise dazu beitragen, Herausforderungen nicht als Hindernisse, sondern als Chancen zu sehen, die uns dazu anspornen, unsere Problemlösungsfähigkeiten zu trainieren und innovative Lösungen zu finden.

Kreativität als Lebensweise bedeutet auch, Dinge einfach aus Freude am Prozess zu tun, ohne starren Blick auf ein bestimmtes Ziel. Da gibt’s bei mir noch viiiiel Luft nach oben. Wie oft habe ich mir schon den Spass an einem Unterfangen verdorben, weil ich dachte: “Urghhh, das wird nichts.” Oder, noch schlimmer, ich habe gar nicht erst angefangen, weil ich das Endresultat nicht klar vor Augen hatte. Als ob jedes kreative Abenteuer ein fixfertiges Drehbuch bräuchte. Dabei liegt die Magie doch genau in den unerwarteten Wendungen, wo das Ergebnis uns genauso überrascht wie der Weg dorthin.

Ach, du bist gar nicht kreativ?

Sucks to be you! Spass beiseite, unterschätze dich nicht so. Kreativität zeigt sich überall dort, wo du flexibel denkst und ungewöhnliche Lösungen suchst: Du zauberst aus den Reisresten im Kühlschrank, Joghurt am letzten Tag des Haltbarkeitsdatums, einer halben Zucchini und exotischen Gewürzen ein völlig neues Gericht. Du baust mit deinen Kindern einen Parcours durch die halbe Wohnung (der Boden ist natürlich Lava). Du findest einen Weg, um Meetings effizienter zu gestalten und deine vielbeschäftigten Mitarbeiter feiern dich als Heldin (die wenigbeschäftigten verabscheuen dich fortan). Es ist also weniger die Frage «ob», sondern «wie viel». Und das Ausmass ist Übungssache, yay!

1968 führe der Wissenschaftler Dr. George Land eine Studie durch, um die Kreativität von Kindern zu testen. Den Kreativitätstest hatte er ursprünglich für die NASA entwickelt, um innovative Ingenieure und Wissenschaftler auszuwählen. Laut seinen Ergebnissen erreichten 98% aller 5-Jähriger ein kreatives Niveau, das als “genial” eingestuft wurde. Je älter die Probanden wurden, desto tiefer der Anteil kreativer Genies. Im Alter von 15 Jahren waren es nur noch 12%, bei den über 30-Jährigen traurige 2%. Man könnte meinen, wir werden mit Kreativität im Blut geboren, aber irgendwo zwischen Kindheit und Steuererklärung trainieren wir uns diese Fähigkeit genauso konsequent ab wie das Nachmittagsnickerchen.

Spielendes Kind, das mit Holzklötzen spielt und seine natürliche Kreativität auslebt

Ich habe Dr. Lands ursprüngliche Studie nicht gefunden (mich würde z.B. interessieren, wie viele Erwachsene immerhin noch mit «gut» eingestuft wurden und ob jemals Jugendliche und Erwachsene untersucht wurden, die keine (traditionelle) Schule besucht haben), aber meiner Meinung nach gibt es einige Kreativitäts-Killer, vor denen wir uns dringend in Acht nehmen müssen:

  1. Das innere Arschloch: auch bekannt als der Kritiker in deinem Kopf, der dir mit seinem Perfektionismus-Anspruch jede Motivation raubt, überhaupt den ersten Schritt zu wagen. Die Angst, etwas «falsch» zu machen, ist in etwa so produktiv wie die Angst vor Muskelkater, wenn man Sport treibt – beides gehört einfach dazu. Unsere Fehler-Verteufelungskultur ist sowas von kontraproduktiv, da sie lähmend wirkt, statt anspornend. Schriftsteller James Joyce sagte «Fehler sind das Tor zu neuen Entdeckungen» und sie sind ein fundamentales Instrument, um uns überhaupt weiterzuentwickeln und zu lernen. Als wir als Kleinkind im Sandkasten das Kuchenförmchen umstürzten und alles gleich in sich zerfiel, dachten wir auch nicht gleich: «Mann, was bin ich für ein Versager! Ich krieg einfach nichts auf die Reihe!», sondern checkten irgendwann «Aha, wenn der Sand nicht furztrocken ist, gelingt auch der Sandpalast.»
  2. Information Overload: Gönn deinem Gehirn eine Auszeit! Letztes Jahr wurde mir bewusst, dass ich eine Stille-Intoleranz entwickelt hatte. Ständig wurde ich zugedröhnt mit Hintergrundgeräuschen in Form von YouTube Videos, Musik oder Hörbüchern. Essen ohne Gesellschaft und ohne Handy? GEHT’S NOCH, ich bin doch keine Psychopathin! Dabei braucht unser Gehirn eine Pause von der konstanten Informations-Berieselung und vor allem braucht es Langeweile. Wir brauchen die Zeit und Ruhe, um Informationen zu verarbeiten (und sie nicht nur passiv zu konsumieren), Lösungen zu finden und neue Ideen zu entwickeln. Zeit, um das Tagträumen, das vielen schon im Kindesalter ausgetrieben wurde, wieder einzuführen!
  3. Digitale Bubbles: Ein modernes Hindernis für Kreativität ist das Leben in digitalen «Bubbels». Nachrichten holen wir uns dort, wo sie unsere politische Sicht bestätigen, statt sie herauszufordern. In den sozialen Medien werden wir vom Algorithmus tagein, tagaus mit einer eintönigen Diät von gleichen Meinungen und gleichen Geschmäckern zwangsernährt, die uns davon überzeugen, dass wir im richtigen Team sind. Dabei übersehen wir die geistige Unterernährung, die daraus resultiert.
    Der Künstler Brent Eviston hat einen inspirierenden und irgendwie auch mutigen Ansatz, um sich mit neuen Themen auseinanderzusetzen: Er liest absichtlich zwei Bücher mit gegensätzlichen Ansichten zu einem Thema. Das zwingt ihn, seine Perspektive zu erweitern, Grauzonen zu erkennen, oftmals auch an unerwarteter Stelle Empathie zu entwickeln und es fördert natürlich kritisches Denken.
  4. Das Vergleichskarussell: Theodore Roosevelt, der 26. Präsident der Vereinigten Staaten, hätte sich Instagram wohl nie erträumen lassen, und doch wusste er schon vor über 100 Jahren: «Comparison is the thief of joy.», oder etwas holpriger auf Deutsch: «Vergleich ist der Dieb der Freude.». Und auch, wenn wir es weniger blumig zum Ausdruck bringen, gespürt haben wir es alle schon.
    Eric Barker erklärt in seinem Buch «Barking Up the Wrong Tree», weshalb Vergleiche oft problematisch sind: Früher lebten wir in kleinen Gemeinschaften von ein paar Hundert Menschen, in denen jeder in etwas der Beste sein und sich wertvoll fühlen konnte. Heute leben wir in einer globalen Gemeinschaft mit über 8 Milliarden Menschen, fünfeinhalb davon haben Internetzugang. Es gibt immer jemanden, der besser ist, weniger arbeitet, glücklicher scheint. Die Medien verstärken diesen Effekt, indem sie ständig über solche Menschen berichten und die Messlatte immer höher legen, genau dann, wenn wir glauben, sie fast erreicht zu haben. In der Theorie sollten wir uns bloss mit früheren Versionen von uns selbst vergleichen (und hoffentlich schneiden wir immerhin da gut ab), in der Praxis fangen Vergleiche und Wettbewerbe leider schon im Schulalter an. Wir können zu einem gewissen Grad aber unser Umfeld anpassen und schlicht weniger Zeit an Orten und mit Leuten verbringen, die uns das Gefühl vermitteln, minderwertig zu sein.
Collage mit Theodore Roosevelt Zitat ‚Comparison is the thief of joy‘. Ausgeschnittene Augen und Social Media Like-Notifications symbolisieren Vergleich und Neid

Am Anfang gilt: mehr ist mehr.

Beim Einlesen ins Thema Kreativität bin ich immer wieder auf die Begriffe «divergentes» und «konvergentes Denken» gestossen.
Divergentes Denken ist der Prozess, bei dem möglichst viele unterschiedliche, kreative und originelle Ideen oder Lösungen generiert werden. Es zeichnet sich durch Offenheit, Flexibilität und die Fähigkeit aus, neue Verbindungen zwischen scheinbar unzusammenhängenden Konzepten herzustellen. Darum wird divergentes Denken oft mit Kreativität assoziiert und ist besonders in der Ideenfindungsphase von Projekten oder Problemlösungen wichtig.
Konvergentes Denken ist der analytische, fokussierte Prozess, der darauf abzielt, die beste oder logischste Lösung für ein Problem zu finden.
Also, nachdem du durch divergentes Denken (komplett unkritisch) eine Fülle an Ideen generiert hast, hilft dir konvergentes Denken, diese Ideen zu bewerten, filtern und eine Auswahl zu treffen.

So wie ich das sehe, liegt das Problem darin, dass häufig schon mit der Einschulung der Grundstein dafür gelegt wird, konvergentes Denken als «wichtiger» zu betrachten. Unser Bildungssystem und unsere Gesellschaft legen grossen Wert auf klare, messbare Ergebnisse, Ziel ist das Finden der «richtigen» Antwort. Fehler werden entsprechend stigmatisiert. Im Berufsleben wird konvergentes Denken oftmals bevorzugt, weil es mehr Sicherheit und Vorhersehbarkeit bietet, «man hat es schliesslich immer so gemacht».
In Wahrheit ist keine der beiden Denkweisen überlegen, sie ergänzen sich nämlich perfekt: Zuerst öffnen wir unser Denken und generieren möglichst viele Ideen, ohne uns durch deren Bewertung auszubremsen. Danach engen wir unser Denken wieder ein, geben Struktur und prüfen unsere Ideen bis wir die sinnvollste Lösung finden.
Der Wechsel zwischen den beiden Denkweisen macht eine kreative Problemlöserin aus. Ohne divergentes Denken bleiben die Ideen limitiert, und ohne konvergentes Denken bleiben die Ideen chaotisch und führen zu keinen konkreten Ergebnissen.

Weniger Denken, mehr Tun: Lass uns loslegen!

Nun folgt der praktische Teil, und auch wenn’s für dich nicht gerade intuitiv erscheinen mag, für viele dieser Aktivitäten gilt: Quantität über Qualität.
Im Buch “Atomic Habits” von James Clear erzählt der Autor die Geschichte eines Professors, der seine Fotografie-Studenten in zwei Gruppen aufteilte. Gruppe eins war die “Quantitätsgruppe”. Diese Studenten mussten 100 Fotos einreichen, um die Bestnote zu erhalten. Gruppe zwei war die “Qualitätsgruppe”. Hier reichte ein einziges Foto, aber um die Bestnote zu erhalten, musste es fast perfekt sein. Am Ende des Semesters stellte sich überraschenderweise heraus, dass die besten Fotos von der Quantitätsgruppe kamen. Durch häufiges Fotografieren verbesserten die Studenten stetig ihre Fähigkeiten, während die Studenten in der Qualitätsgruppe viel zu viel Zeit in Theorie und Planung investiert hatten, und viel zu wenig in die Praxis.

Darum: Tappe nicht in die Falle, dass du zu viel überlegst, bevor du loslegst. Planen kann auch eine Art von Aufschieberitis sein, die uns zwar irgendwie produktiv vorkommt, aber schlussendlich den Zweck erfüllt, dass wir uns weiterhin vor einer Tätigkeit drücken können. Mit etwas weniger schlechtem Gewissen, als wenn wir stattdessen Eichhörnchen-Parcours-Videos auf YouTube gucken würden.

Fangen wir mit einer kleinen Aufwärmübung an, die du allein oder in Gesellschaft machen kannst: die 30-Kreise-Übung. Zeichne 30 Kreise auf ein Blatt Papier oder drucke diese Vorlage aus. Stelle dir einen Timer auf drei Minuten. Schaffst du es, aus allen Kreisen einen erkennbaren Gegenstand zu zeichnen, z.B. eine Sonne, ein Smiley, ein Rad? Die Übung soll dich ermutigen, möglichst viele unterschiedliche Ideen zu generieren, ohne Selbstzensur und ohne Anspruch auf Perfektion. Hier zählt die Menge und es geht um freies Denken, ohne sich durch Erwartungen an das Resultat einzuschränken.
Eine weitere Kreativitätsübung, die perfekt für Zwischendurch ist (also ein prima Handy-Ersatz beim Anstehen an der Kasse oder Sitzen auf dem Klo), sind freie Wortassoziationsketten. Wähle ein beliebiges Wort, z.B. Wolke, und erlebe den spontanen Gedankenfluss, der sich Wort für Wort ergibt. Wolke -> Himmel -> Erde -> Regenwurm -> Regen -> Schirm und so weiter. Hauptsache, du lässt deinen Gedanken freien Lauf und zensierst dich nicht, wenn dir das erste eingefallene Wort nicht zusagt.

So, und nun folgen meine Vorschläge, um auf spielerische Art etwas mehr Kreativität in den Alltag einzuladen.

  • Denke dir zu deinem Lieblingssong eine eigene Choreographie aus: Aber ohne vorher vor dem Fernseher zu chillen, um dir Thriller, Single Ladies und Vogue nochmals genau anzuschauen. Du übst nicht für die grosse Bühne… Spüre einfach die Musik durch deinen Körper. Der weiss schon, wie er sich bewegen will.
  • Verschönere dein Zuhause mit einem Stillleben: Ein Arrangement verbindet Gegenstände, die ansonsten oft zufällig hingestellt wirken, zu einem kleinen Gesamtkunstwerk. Es wirkt persönlich und macht Räume einzigartig. Wenn du nicht weisst, wo anfangen: Hier erkläre ich die Dreier-Regel, am besten startest du auch nicht mit zu vielen Gegenständen. Hier ein weiterer Tipp: Kombiniere etwas Senkrechtes, etwas Waagerechtes und ein formschönes Detail, das beides verbindet.
    Achte auf Kontraste und Balance: Verbinde simple Formen mit verschnörkelten, warme Farben mit kühlen, Altes mit Neuem. Und noch was: Bücher gehen immer.
  • Zeichne Monster: Eine unserer Lieblings-Mami-Tochter-Aktivitäten. Zero skills needed und nicht mal der innere Kritiker meldet sich mit “So sieht aber kein Monster aus”, denn der weiss auch nicht, wie Monster aussehen sollen. Falls die Inspiration fehlt: Kombiniere Alltagsgegenstände mit tierischen Merkmalen und einer Prise Grusel. Unser Pizza-Monster mit Krebsbeinen, Vampirzähnen und blutrot tropfender Sauce lässt grüssen!
  • Mach einen Inspo-Spaziergang: Hier geht’s explizit um Quantität, zerbrich dir nicht den Kopf über das perfekte Motiv. Schiesse während eines Spaziergangs mindestens 30 Fotos von Dingen, die dir ins Auge springen, sei es aufgrund ihrer Farbe, Form, Textur, oder einer besonderen Komposition. Schule dein Auge dafür, auch in ganz alltäglichen Situationen etwas Interessantes zu entdecken.
  • Erstelle eine abwechslungsreiche Galerie-Wand: Mit abwechslungsreich meine ich, nicht nur senkrechte Poster in schwarzen und weissen Bilderrahmen aufzuhängen, sondern eine aufregende Komposition aus Bildern, Fotos und dreidimensionalen Fundstücken zu arrangieren.
    Variiere senkrechte und waagerechte Elemente, füge runde oder organische Formen hinzu, mische Texturen und Materialien, wähle grosse und kleine Stücke (Tipp: Der Anfang ist leichter, wenn du mit dem grössten Element leicht ausserhalb der Mitte der Wand beginnst und den Rest darum herum arrangierst). Nebst Postern, alten Gemälden oder Fotos, wie wäre es mit: Pflanzenampeln, Spiegeln, einem bunten Seidentuch, Wandvasen, einer auffälligen Halskette, Keramikvögeln, einer Ukulele, einer geflochtenen Schale, eingerahmte Konzertkarten, einem kleinen Regal, um abwechselnde Dekofiguren in Szene zu setzen? Damit das alles nicht zu chaotisch wirkt, wähle eine Farbpalette aus 2-3 Farben und komplementiere sie mit neutralen Tönen und Materialien, wie Holz oder Metall.
  • Erfinde ein neues Rezept: Eines der Gründe, warum Backen und ich keine grossen Freunde sind: zu wenig Freiheit. Die ersten Backversuche, bei denen ich es mit der Menge Mehl und Milch nicht so genau genommen hatte, endeten mit einer Mahlzeit für den Abfalleimer. Darum behandle ich Backexperimente nun mit der Sorgfalt einer Chemikerin… besonders leidenschaftlich ist das Ganze nicht.  Beim Kochen hingegen beschwöre ich meine innere Ratatouille-Maus hinauf und lasse Spontanität und Improvisation zu, was ich schlussendlich viel befriedigender finde (auch wenn es manchmal besser aussieht, als es schmeckt). Probier’s mal aus und verfeinere bekannte Rezepte mit neuen Zutaten, oder erfinde gleich etwas völlig Neues. Wer weiss, vielleicht wird’s der nächste Familienklassiker!
  • Wie wär’s mit Collagen: Die Kunstform für “Ich kann aber nicht zeichnen”-Leute. Ich LIEBE Collagen. So sehr, dass ich mir vor Jahren zwei Anfänger-Bücher dazu gekauft habe (dieses und dieses), mir ein umfangreiches Pinterest-Board dazu erstellt habe, mehrere Skillshare-Kurse über digitale Collagen markiert habe (ich komme schon noch dazu, die alle zu gucken!) und sogar angefangen habe, Papierschnipsel zu sammeln. Diese beeindruckende Vorbereitungsarbeit hat schlussendlich zu geschätzten sieben physischen Collagen geführt. Mich muss kein Studienleiter einer Gruppe zuordnen, ich stelle mich freiwillig zu den obsessiven Perfektionisten. Wenn du auch dazu gehören solltest, hier mein Tipp: digitale Collagen. Nein, Photoshop Kenntnisse brauchst du nicht, Canva ist Deppen-sicher! Die Hemmschwelle ist viel niedriger: Ein Klick und der sau-blöde Einfall ist rückgängig gemacht und man hat dafür nicht das hübscheste Papier verschwendet.

Speaking of…

  • Versuch’s mit digitalem Zeichnen: Analoges Zeichnen kennen wir alle, und die, die es einigermassen gut können, machen es auch als Erwachsene immer noch. Dann gibt es aber die Traumatisierten, denen Frau Wagner, als sie acht waren, sagte: “Da hast du aber ein komisches Pferd gezeichnet.”, und die seither höchstens noch für den Einkaufszettel zu Stift und Papier greifen. Ich sage nur “Procreate – Art is for everyone.” (not sponsored). Für mich als “ungeübte Kreative” liegt der grosse Vorteil wieder im Prinzip von Quantität über Qualität. Vielleicht geht’s nur mir so, aber digitales Zeichnen fühlt sich nach weniger Commitment und weniger «Konsequenzen» an als Zeichnen auf Papier. Ich plane weniger im Voraus, probiere mehr aus (die Werkzeug-Palette ist unendlich und passt in ein handliches iPad), und jeder krakelige Strich ist mit einem magischen Swish wegradiert.
  • Erfinde Geschichten mit “Story Cubes: So ähnliche Würfel habe ich mal als Alternative zur Gute-Nacht-Geschichte gekauft und ich muss sagen, ich hatte es mir einfacher vorgestellt 😀 Meine Tochter liebt sie, auch wenn jede meiner Geschichten mit 17 “ÄHMs” anfängt, bevor sie in Fahrt kommt (und ich schätze, die mentale Herausforderung tut mir gut). Wer sich die Würfel sparen will, überlegt sich einfach so eine Geschichte. Als ich klein war, schrieb mein Vater mal ein Märchen für mich, in dem alle Charaktere Käsesorten waren… Prinzessin Mozzarella, König Provolone und so weiter. Das ist immer noch eine der besten Erinnerungen, die ich an ihn habe.
  • Dekoriere durch Zweckentfremden und Upcycling: Je nach handwerklichem Geschick sind nach oben keine Grenzen gesetzt, aber sogar gänzlich ohne kann man ein antikes Bügeleisen (mit Filzgleitern darunter) als Türstopper verwenden oder Stifte in ein handgemachtes marokkanisches Teekännchen stecken. Und wer sich etwas mehr zutraut, der kann sich Acrylstifte schnappen und eine leere Glasflasche verschönern. Oder sogar alte Möbel aus dem Brocki auffrischen?
  • Arrangiere einen bunten Blumenstrauss: Meiner Meinung nach sollte in jedem Raum etwas Natur vorhanden sein. Das Gestalten eines Blumenarrangements ist nicht nur eine beruhigende und fast schon meditative Aktivität, sondern bietet auch die Möglichkeit, mit Farben, Formen und Texturen zu spielen. Vor Kurzem bin ich auf Instagram auf die Schweizer Firma Bloom Bloom gestossen, die lokale Blumen in einem losen Bund versendet. Du kannst sie entweder nach Anleitung arrangieren oder du folgst erst mal deiner Intuition und schaust, was dabei rauskommt.
  • Gestalte deinen virtuellen mittelalterlichen Rückzugsort: Ein Freund hat mich kürzlich auf ein friedvolles Game namens Tiny Glade aufmerksam gemacht, wo es keine Gegner, keinen Zeitdruck und keine abgetrennten Köpfe gibt. Stattdessen kannst du in aller Ruhe kreativ sein und verträumte Schlösser und romantische Cottages inmitten malerischer Landschaften entwerfen.
  • Töpfere dir dein Lieblingsstück: Letzten Dezember besuchten wir den Heiliger Bimbam Design-Weihnachtsmarkt, wo uns die Anziehungskraft bunter Farben und verspielter Muster direkt zum Stand von Atelier Alfar zog. Im Zürcher Atelier kannst du verschiedene Techniken des Töpferns kennenlernen oder ein bereits fertiges Stück auswählen und nach deinen eigenen Vorstellungen bemalen.
  • Führe ein illustriertes Tagebuch: Die Vorteile eines Tagebuchs sind vielfältig, aber die Idee eines illustrierten Tagebuchs finde ich besonders charmant. Hier ein Beispiel der Künstlerin Kate Sutton, die dazu auch einen (anfängerfreundlichen) Online-Kurs anbietet.

Ich hoffe, dich hat der eine oder andere Vorschlag angesprochen, und wenn nicht, dann vertraue ich darauf, dass du genug einfallsreich bist, um dir dein eigenes kreatives Abenteuer auszumalen.
Ich bin fest davon überzeugt, dass Menschen dazu gemacht sind, die bunten Eindrücke dieser Welt aufzusaugen, in ihren faszinierenden und weitgehend geheimnisvollen Gehirnen zu verarbeiten, und dann als einzigartige Ideen-Collage wieder auszuspucken.

Starte, auch wenn du dich nicht inspiriert fühlst. Ich habe mal von Autor Mark Manson die Idee aufgeschnappt, dass wir Motivation als Belohnung für unser Tun sehen sollen, und nicht als Voraussetzung, um überhaupt aktiv zu werden. Inspiration und Motivation entstehen oftmals erst nachdem wir zur Tat schreiten. Suche dir etwas aus, denke nicht ans Resultat, und mach einfach. Worauf es ankommt, ist, dass du dich nur einer Sache widmest. Du tauchst in den Prozess ein, frei von Ablenkungen, frei von Sorgen, und lässt deinen Geist zu neuen Orten wandern, die du selbst davor gar nicht kanntest.

Und klar, manchmal guckst du dir deine Kreation an und bist enttäuscht. Dann sag dir einfach: «Zum Glück habe ich so einen tollen Geschmack und merke sofort, dass das noch Luft nach oben hat.»
Wenn du dranbleibst, herumtüftelst, ausbesserst, dann näherst du dich früher oder später unweigerlich an etwas, das sich richtig anfühlt. Irgendwann wirst du dich selbst überraschen. In diesen Momenten bildet sich echtes Selbstvertrauen. Selbstvertrauen entsteht, wenn wir es schaffen, Rückschläge zu überwinden, egal wie klein oder gross.

Also, wie wär’s, machen wir dieses Jahr (und für die nächsten 10) einen Deal? Weniger bewerten, mehr ausprobieren. Mehr Neugier, weniger Druck. Mehr Verspieltheit, Sich-im-Flow-Verlieren und Sich-selbst-Überraschen. Und vergiss nicht, was Albert gesagt hat: Gibt’s weiter!

Herzlich
Samantha

Kleiner Hinweis am Rande: Ich habe nichts mit den hier erwähnten Leuten, Marken oder Firmen zu tun. Keine Werbung, keine geheimen Deals, nicht mal ein gemeinsames Mittagessen. Ich teile einfach nur, was ich spannend finde und hoffe, dass du auch was für dich entdeckst.

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